Free/Libre Software gegen Open Source Software

FLOSS (auch als FOSS bekannt) steht für Free/Libre and Open Source Software. Für viele ist das alles ein Brei und es gibt für sie keinen Unterschied zwischen Open Source Software (kurz OSS) und Free/Libre Software (kurz Free Software). Ist es das wirklich oder gibt es da nicht einen Unterschied?

Open Source Software

Die OSS Lizenzen sind meistens akademische Lizenzen, wie die BSD, MIT usw., weil sie an den US-Universitäten erfunden wurden und wie bei wissenschaftlichen Arbeiten nur die Nennung des Urhebers verlangen. Sie werden auch als freizügige Lizenzen bezeichnet da sie dem Lizenznehmer oder Distributor ziemlich liberale Bedingungen stellen. Grob gesagt muss dieser seinem abgeleiteten Programm nur den Lizenztext beilegen und es werden keine weiteren Auflagen gestellt.

Diese akademischen Lizenzen dienen hauptsächlich den Herstellern von Soft- und Hardware und weniger dem Endanwender. Es geht um Time-to-Market, also schnelle Entwicklungserfolge von Software ohne den Endanwender im Auge zu haben. Weshalb die meisten Programme unter akademischen Lizenzen eher Algorithmen und Bibliotheken sind. Komponenten die man schnell zusammen kleben kann um eine Software fertig zustellen.

Die Lizenznehmer und Distributoren haben im Prinzip keine Hürden bei der Distribution und Verkauf. Der Endanwender spielt im Lizenztext der akademischen Lizenzen keine Rolle. Er kann rein zufällig ein Anwender sein, wenn er die Software an der Quelle bezieht. Mehr aber nicht.

Ein Paradebeispiel sind die Webbrowser-Kerntechnologien Google Chromium und Apple Webkit. Diese sind unter der BSD-Lizenz verfügbar, aber als solches sind sie keine Webbrowser, sondern „nur“ für das Rendering von Webseiten zuständig. Google und Apple bauen damit ihre Webbrowser Google Chrome und Apple Safari, bieten diese fertigen Webbrowser aber nur unter einer proprietären Lizenz an. Der Benutzer bekommt den Sourcecode nicht zu Gesicht und weiß auch nicht, was wirklich mit seinen Daten passiert.

Und das ist laut BSD-Lizenz auch möglich, abgeleitete und verlinkte Programme unter einer anderen (proprietären) Lizenz zu stellen.

Free/Libre Software

Kommen wir zur Free Software nach Definition von Richard Stallman. Mit „Free“ ist nicht kostenlose sondern Freie Software gemeint. Es ist mehr ein sozialer Gedanke dahinter und unterscheidet sich stark von den akademischen Lizenzen. Wobei der Kommerz gar nicht abgelehnt wird. Ganz im Gegenteil wird er von Stallman akzeptiert und praktiziert, da er mit dem Verkauf der freien GNU Software sehr viel Geld verdient hat.

Richard Stallman:

„Many people believe that the spirit of the GNU Project is that you should not charge money for distributing copies of software, or that you should charge as little as possible—just enough to cover the cost. This is a misunderstanding.

Actually, we encourage people who redistribute free software to charge as much as they wish or can. … When we speak of „free software“, we’re talking about freedom, not price.“

Stallman hatte 1982 die „General Public License“ (GPL) für seine GNU-Software geschrieben. Diese ist eine sogenannte wechselwirksame Lizenz und auch als Copyleft-Lizenz bekannt. Der entscheidende Punkt ist, dass abgeleitete und veränderte Programme offen gelegt werden müssen. Und diese Bedingung kann auch nicht außer Kraft gesetzt werden. Das wird dadurch erreicht, dass die Lizenz des originalen und abgeleiteten Programms sich nicht ändern darf und die Lizenz viral andere kombinierte Programme mit der Lizenz anstecken kann.

Was bewirkt die Wechselwirkung? Lizenznehmer (Endanwender, Entwickler und Distributoren) können dauerhaft an der Fortentwicklung der freien Programme teilnehmen. Zu aller erst der originale Autor des Programms, der Veränderungen und neue abgeleitete Programme seines Programms einsehen und wieder benutzen kann. Des Weiteren die Entwickler, die davon abgeleitete oder kombinierte Programme erstellen, können vom Time-to-Market profitieren. Am Ende können Endanwender diese Programme nutzen, und sie kontrollieren oder eigene Anpassungen vornehmen lassen. Jede Änderung und Verbesserung kommt zu den Teilnehmern zurück.

Historie

Der ursprüngliche Grund für diese Copyleft-Lizenz war es, jedem Endanwender die Freiheit zu geben die benutzte Software technisch kontrollieren und somit überhaupt Computer betreiben zu können. Als die ersten schrankgroßen Computer angeboten wurden, gab es nur sehr wenige Hersteller und diese verdienten sehr viel Geld mit der Vermietung dieser Computer. Die Software wurde kostenlos mitgeliefert und war frei. Es gab auch keine Software-Firmen. Mit dem Zeitalter der Minicomputer gab es mehr Hersteller und Computer wurden somit viel billiger und nicht mehr vermietet. Die laufenden Einnahmen blieben aber aus und statt dessen wurde die Software proprietär (ohne Quellcode und unfrei) damit diese vermietet werden konnte. Diesen Paradigmenwechsel erlebte Richard Stallman und erfand deshalb die GPL.

Benutzung gegen Distribution

Es ist tatsächlich so, dass Endanwender bei der Benutzung von FLOSS-Software nichts beachten müssen. D.h. zu Hause oder in der Firma ist die Benutzung ohne Einschränkungen möglich.

Anders sieht es aus, wenn man Free Software vertreiben oder weiter geben will. Die Copyleft-Lizenzen stellen Distributoren diverse Auflagen. Dazu gehört es, nur dann die Software verwerten zu können, wenn die abgeleiteten Programme dem Endanwender offen gelegt werden. Denn dem Endanwender müssen die Freiheiten immer gewährleistet bleiben, das ursprünglich offene Programm auch in veränderter Form kontrollieren zu können. Das gefällt natürlich nicht jeder Person oder Organisation, weil es mit Arbeit und Disziplin verbunden ist diese Regeln bei der Distribution zu beachten. Weiterhin sind vielleicht spezielle geheime Algorithmen dabei offen zu legen, die den Anwender nicht freuen würden.

Mit Distributor ist übrigens jede Person und Organisation gemeint, egal ob privat oder gewerblich. Sobald eine FLOSS-Software in irgendeiner Form weiter gegeben wird (sozusagen das Haus verlässt), greifen die Lizenz-Bedingungen und man ist bei dieser Aktion kein Endanwender.

Das Big-Data-Zeitalter

Die alten Copyleft-Lizenzen haben heute leider einen Nachteil. Sie sind so formuliert, dass mit Distribution das Kopieren der Software gemeint ist. D.h. das die Software auf Geräten beim Endanwender ausgeführt werden soll, z.B. auf dem PC, WLAN-Router oder Smart-TV.
Doch heute ist das Internet allgegenwärtig und die Internet-Giganten wie Facebook, Google, Amazon usw. verteilen ihre Software gar nicht mehr. Sie betreiben große Server-Hallen und darauf Big-Data-Programme die die Benutzerdaten sammeln und auswerten. Diese Programme benutzen häufig FLOSS-Software und verlassen nicht mehr das Haus. Besonders das klassische Copyleft wird dadurch ausgehebelt und der Endanwender kann nicht kontrollieren, was die Software mit seinen Daten macht.

Nicht nur die Endanwender werden dadurch benachteiligt, auch die Originalautoren von Copyleft- lizensierten Programmen kommen an die abgeleiteten Programme nicht ran, obwohl externe Endanwender diese Programme benutzen.

Externe Netzwerk-Distribution

Real Networks (eine Firma die in den 1990er Jahren der Pionier für Musik- und Video-Streaming war) hatte diesen Fall sehr früh erkannt. Ihre eigene Server-Software wurde 2002 mit einer besonderen Klausel offen gelegt:

1.7 „Externally Deploy“ means to Deploy the Covered Code in any way that may be accessed or used by anyone other than You, used to provide any services to anyone other than You, or used in any way to deliver any content to anyone other than You, whether the Covered Code is distributed to those parties, made available as an application intended for use over a computer network, or used to provide services or otherwise deliver content to anyone other than You.

Die Bedingung lautet, wenn das Programm mit einem externen Benutzer über ein Netzwerk kommuniziert, ist der Distributionsfall eingetreten. Dies schließt jedoch Dienste wie Remote Desktops und X-Server aus, weil das Programm nicht mit dem externen Benutzer kommuniziert.

Eine ähnliche Klausel wurde dann auch 2002 von Lawrence Rosen in die Open Software License (OSL) übernommen. Das GNU-Projekt zog recht spät nach und brachte erst 2007 parallel zur neuen GPL Version 3 die Affero GPL Version 3 (AGPL v3) mit einer Netzwerk-Klausel heraus.

Fazit

Alle FLOSS-Lizenzen haben eines gemeinsam: die originalen Programme sind im Quellcode verfügbar und jeder hat das Recht diese einzusehen, zu benutzen, zu verändern und abzuleiten. Bei der Distribution trennen sich aber deren Wege und die akademischen Lizenzen schreiben keine Offenlegung des Quellcodes vor. Die Copyleft-Lizenzen schreiben dem Distributor vor, immer den Quellcode offen zu legen.

Meiner Meinung nach kann man folgendes formulieren: OSS-Lizenzen sind für die Freiheit der Produktentwickler. Free-Software-Lizenzen sind für die Freiheit der Endanwender. Auch wenn es bei beiden eine Schnittmenge gibt und es deshalb immer wieder zu ideologischen Grabenkämpfen kommt.

Man braucht sich aber eigentlich nur die FLOSS-Landschaft anschauen um diese Einordnung legitimieren zu können. Es werden kaum Anwenderprogramme aber mehr Programmier-Komponenten (Libraries, Frameworks und Tools) unter akademischen Lizenzen veröffentlicht.
Dagegen sind viele Anwenderprogramme unter GPL oder MPL veröffentlicht.

Das Verhalten ist meiner Meinung nach legitim und jeder hat die Freiheit sein Werk unter seiner gewünschten Lizenz (auch als Closed Source) zu veröffentlichen. Aber die meisten, die unter OSS-Lizenz veröffentlichen, geben nur vor für den Endanwender zu veröffentlichen oder wissen es nicht besser.


Hinweis

Ich bin kein Jurist/Rechtsanwalt und dieser Text ist keine Rechtsberatung zu Software-Lizenzen!